Lewinsky, Charles: Der Stotterer

Diogenes Verlag, 410 Seiten, CHF 34.00

ISBN 978-3-257-86355-0

Protagonist Johannes Hosea Stärckle hat gleich mit mehreren Handicaps zu kämpfen: Sein Name ist keine Glücksbotschaft. Die Kindheit in strenggläubiger Familie hat viele Wunden hinterlassen. Er sitzt wegen Trickbetrug im Gefängnis. Und sein Sprachfluss ist gehemmt. Der Titel des neuen Buches von Charles Lewinksy sagt es: Er ist ein Stotterer. Aber der Sprache mächtig wie kaum ein anderer – wenn er sie schriftlich einsetzen kann. Und so fabuliert er sich in Geschich-ten hinein – manchmal in Tagebuchform, dann als fulminante Fin-gerübungen, und viel in Briefform. Er wendet sich an den Gefängnis-pfarrer oder einen Verleger, der sich stark für ihn interessiert. Denn literarisch-philosophisches Talent – das hat dieser Johannes. Mit Zitaten von Schopenhauer schlägt er schon fast wild um sich. Musils «Mann ohne Eigenschaften» ist so etwas wie ein wiederkehrender Leitfaden. Vieles, was Stärckle – im übrigen sehr bibelfest – erzählt, ist erstunken und erlogen. Und enthält viel Bösartiges und Zynisches. Aus Verletztheit und Demütigung ist das erwachsen. Und als Racheinstrument eingesetzt, um sich zur Wehr zu setzen. In virtuosen Sprachtiraden und -kaskaden ausgebreitet, mit Wortspielereien garniert, die treffen und auch witzig sind. Und bei allem Kunstverstand menschlich berühren können.

Charles Lewinsky zeigt einmal mehr, welche Macht die Sprache haben kann – auch für einen, der unten durchmuss. «Der Stotterer» ist so wie das Leben: oft brutal und erniedrigend, aber auch erheiternd und bewegend. Zum Lesen ist das ein grosses Vergnügen.
Buchbesprechung von Svend Peternell

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